Ein Jugendtraum

Die Motorpresse der Deutschen Demokratischen Republik war eigentlich nicht existent, denn sie kam in der Öffentlichkeit nicht vor. „Der Deutsche Straßenverkehr“ beispielsweise erschien in geringer Auflage und die Abonnements waren seit Jahren vergeben. Einige wenige Exemplare wechselten den Besitzer durch die Kioskfenster des staatlichen Postzeitungsvertriebes, insofern der geneigte Leser dem Zeitungshändler seines Vertrauens etwas entgegenzubringen hatte. Hier war weniger Vertrauen als vielmehr Mangelware höchst gefragt. Speziell in den heißen Sommertagen war Exportbier aus Radeberg beliebt, die Keramikfliese aus dem benachbarten böhmischen Bruderland wurde als Muster gereicht und Cenusil, eine silikonhaltige Dichtmasse wurde in grün-weißen Pappschachteln unter den Zeitungsstapeln durchgeschoben. Der Handel beinhaltete neben dem belanglosen nominalen EVP (Einzelhandelsvertriebspreis) noch das wesentlich bedeutendere Tauschgeschäft Mangelware gegen Bückware. Erstere hatte übrigens nichts mit der Glättung frisch gewaschener Bettwäsche zu tun, sondern war die übliche Bezeichnung von Produkten, deren Produktionszahlen aus verschiedensten Gründen einfach nicht für einen regulären Handel ausreichend waren. Es herrschte permanenter Mangel an diesen Dingen. Letztere Waren erhielten ihren Namen aus der Tatsache heraus, dass der Verkäufer sich bücken musste, um sie unter dem Ladentisch hervorzuholen.

Für die Freunde des motorisierten Zweirades hatte das freilich alles wenig Wert – eine Motorradzeitschrift war schlicht nicht im Handel. Allerdings gab es einen klitzekleinen Lichtblick: Die Zeitschrift „Jugend+Technik“ aus dem Verlag „Junge Welt“, der missliebigen „Freien Deutschen Jugend (FDJ)“, die offiziell als Kampfreserve der Partei bezeichnet wurde. Die Technikpostille war im Grunde unlesbar, da voll von Produktionserfolgen, Jugendprojekten und Artikeln über das Weltspitzenniveau der sozialistischen Produktion. Alles Käse, aber es ging uns Zweitaktpiloten damals ausschließlich um die Rückseite (!). Dort waren ab und an Motorräder aus „internationaler Produktion“ im Hochglanzdruck abgebildet. Die Bilder waren heiß begehrte Objekte, die zügig zur Dekoration des eigenen Kinderzimmers gerahmt und an die Wand gehängt wurden. Die realen Objekte waren so unerreichbar wie bis ins Detail bekannt. Kreidler, KTM, BMW R75 R, Benelli mit Sechszylinder-Reihenmotor, alles unerreichbare Träume. Aber eines Tages traf mich der Blitz! Die erste Honda VFR 750 F! Vierzylinder-90-Grad-V-Motor und eine Keilform, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Eine Linie zog sich auf weißem Perlmuttlack von der Keilverkleidung bis zum Höcker und vor dem Lenker spannte sich eine knappe Verkleidung. In goldenen Lettern stand „VFR“ auf der Verkleidung. Ich sehe das Motorrad heute noch vor mir. Es war um mich geschehen! Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im jetzt bereits zurückliegenden Jahrtausend war das, als es um mich geschehen war. Dieses Motorrad musste ich eines Tages haben. Ich ging noch zur Schule, es gab in Berlin eine Mauer und durch Deutschland einen unüberwindbaren Zaun. Zu kaufen gab es dieses Motorrad nicht für Geld und gute Worte im Osten Deutschlands. Aber ich musste es haben, egal wie, egal wann.

Neuanfang

Motorradfahren ist im Grunde gar nicht erlaubt. Nach Würdigung des ersten Paragrafen der Straßenverkehrsordnung könnte man die Fortbewegung mit einem motorisierten Zweirad als vermeidbar belästigend würdigen und hätte damit bereits die juristischen Angriffspunkte, die gegen diese Art der Fortbewegung sprechen. Nun gut, grau ist alle Theorie, die juristische insbesondre. Schließlich muss der Kradfahrer ja immer irgendwo hin: zur Eisdiele, uff Kleeche oder nach Moskau.

Aber ich greife vor. Neuanfang, was soll das bedeuten?

ad eins – Die Seite. Also die Internetseite. Also das hier, oder wie der Amerikaner sagt Siehmeiwebseid. Ein Internetauftritt, mein Blog, oder wie immer man es bezeichnen möchte. Gestartet wurde diese Seite dereinst als Wahlkampfinstrument, aber das ist eine andere Geschichte. Nun soll sie also neu gestartet werden. Selbstverständlich sollte eine Seite mit Leben, besser mit Worten, noch besser mit interessanten Texten gefüllt werden und genau das ist es, was ich vor habe. Eine Internetseite betreiben, auf der es immer wieder etwas Neues zu sehen, vor allem aber zu lesen gibt. Ich bin selbst gespannt, wie sich das entwickeln wird. Ob es eine Kopplung mit sozialen oder unsozialen Medien geben wird, ist noch nicht entschieden. Man wird sehen.

ad zwei – Das Motorrad. Nachdem sich meine langjährige Begleiterin mit dezentem Hinweis auf die gewünschte Altersruhe von mir verabschiedet hat (später mehr davon), ist seit Ende 2016 ein neues Fahrzeug in die Garage eingezogen. Es ist eine VFR 1200 FD. Das D steht für DCT. Das DCT steht für Dual Clutch Transmission. Kürzer gesagt hat sie eine Doppelkupplung und schaltet auf Wunsch automatisch. Mit Wolfgang Niedecken gesprochen: Sie kann zaubre. Wenn das kein Neuanfang ist!

ad drei – Der Mensch. Also ich. Freilich bin ich kein Neuanfang und ich fange auch nichts Neues an und nei-en, ich habe keine Midleifkreises aber das Neue hat einfach einen ungeheueren großen Reiz, bestimmt nicht nur für mich. Es gibt immer etwas Neues und das auf fast allen Gebieten des Lebens. Einige dieser Neuigkeitenerlebnissiewents sollen hier mal beleuchtet, mal durchleuchtet, oder auch mal im dunkeln vermunkelt werden.