Neulich an der Tankstelle

Ich muss es vorausschicken, ich habe so meine Probleme mit den Dresdenern. Damit geht’s schon los. Heißt es nun Dresdener oder Dresdner? Sei’s drum. Jede Stadt hat ja ihre lokale Mentalität. Dieses Lokalkolorit ist gar nicht schlimm, oft sogar liebenswert, manch Einer wird es auch leugnen, aber das ein Mensch, der sich als Dresdner bezeichnet anders wirkt als einer, der sich als „Balina“ (Berliner) bezeichnet, eine jeweils andere Wirkung auf den Beobachter entfaltet, ist wohl unstrittig. Hier soll es aber gar nicht um diesen unterschiedlichen Anstrich der Beteiligten gehen, erst recht nicht um Dialekte (mein vogtländisch klingt für Nichtkenner auch gewöhnungsbedürftig oder gar „sächsisch“). Zur Einordnung der folgenden kleinen Geschichte kann diese Vorbemerkung jedenfalls nicht schaden.

Ich komme also an eine Tankstelle im Raum Dresden. Mit dem Motorrad unterwegs, wollte ich mich meiner Regenjacke entledigen, tanken und ein Käffchen schlürfen. Also erstmal das Sprittfass der VFR aufgefüllt und dann zum Bezahlen und Getränk ordern rein an die Kasse. Bezahlt und dann bestellt: einen großen Kaffee hätte ich noch gerne. Wahrscheinlich weil der nach dem eigentlichen Bezahlen geordert wurde, ich wollte ihn aus irgendeinem Grunde nicht mit auf der Kreditkarte haben, rollte die Tankstellenfachkraft bereits mit den Augen und schmetterte mir im feinsten ortsüblichen Dialekt entgegen: „Zum Mitnäähm?“ Gut, ich war in meiner Kluft unschwer als Kradfahrer zu erkennen und bisher ist mir der Dosenhalter am Motorrad nur aus Wernercomics oder von den lustigen Kameraden der amerikanischen Schwermetallpiloten bekannt, aber derartiges Fachwissen hätte ich der Madam gar nicht zugetraut. Ganz so doof wie unhöflich war die Frage in diesem Fall nun doch nicht, ich wollte meinen Kaffee sowieso draußen trinken, ergo wollte ich ihn ja „mitnäähm“. Ich muß jedenfalls für einen Moment ratlos in die Botanik geglotzt haben, die Mitarbeiterin des Petrolkartells schob unmittelbar nach ihrer frageähnlichen Ruf tatsächlich eine Frage hinterher: „Asso im Bechor oder in dor Dasse?“ Das saß. Jetzt war ich wirklich hilflos. Was hatte das Gefäß für den Kaffee nun mit dem Ort seines Genusses zu tun? Offensichtlich gab es da einen Zusammenhang. Kurz dachte ich über die uralte Dienstvorschrift „Draußen nur Kännchen“ nach, aber die heute üblichen Heißgetränke, die ja eigentlich schon lange nicht mehr Kaffee heißen, sondern „Latten“, „Expressos“ oder „Kapp-Putsch-Inos“, werden nie und nimmer in so etwas lieblichem wie Kännchen ausgeschenkt. Ich stammelte ein hilflos geflüstertes: „Äh, Tasse, aber ich würde ihn mit raus nehmen.“ Die prompte Antwort: „Asso im Bechor!“. Etwas gefasster antwortete ich: „Ich hätte doch lieber eine Tasse. Ich bringe sie dann auch wieder herein.“ Verblüffende Antwort: „Nee dös mach mor nüsch.“ Ich, zaghaft: „Warum nicht?“ Nun kam souverän: „Porzellan gähm mor nüsch mit raus.“ Zack, stand der Pappbecher vor mir und ich ergab mich in mein Schicksal. In Sachsen, einem Land mit einer sehr wertvollen Kaffeetradition, gibt es den Muntermacher draußen nur noch „zum Mitnäähm“. Im Pappbecher. Jedenfalls an dieser Tankstelle. Wohl bekomm’s.